Inklusion. Wie sieht die Inklusion von Minderheiten eigentlich in meinem Alltag aus? Auf meiner Arbeitsstelle? Nichts, Fehlanzeige. In der Schule meiner Kinder? Meine Tochter hat einen Mitschüler aus dem Flüchtlingsheim, aber der zieht bald um innerhalb von Deutschland. In der KITA? Niemand. Im Sport der Kinder? Wieder nichts. Ich habe also keinerlei Kontakt zu Minderheiten jedweder Art.

Laut Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen sollte Inklusion jedoch gelebt werden. Verschiedenes sollte normal sein. Chancengleichheit als Ziel. Das ist sogar eine Stufe mehr noch als Integration, wo ein „anders sein“ bestenfalls toleriert und akzeptiert wird. Warum fühlt es sich dann 2021 in Deutschland dennoch immer noch so sehr nach Exklusion an?

Warum bleibt man innerhalb von Minderheitsgruppierungen bisher weitestgehend unter sich? Sei es bei Sehgestörten, Hörgestörten, Flüchtlingen verschiedener Ethnien, Menschen mit verschiedensten Behinderungen, und vielen anderen. Fühlen sich angefangen in der KITA „die normalen Eltern“ gestört davon, wenn ein eingeschränkteres Kind womöglich mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen muss, als es das eigene Kind erhält? Stören in einer Regelschule die Fallhelfer vor Ort, die dem „speziellen Kind“ Hilfestellungen geben müssten, damit es mit den anderen Schülern im Stoff mithalten kann? Oder fehlt es schlichtweg an Zeit, die eingeplant werden sollte, um im Prinzip jedes Kind individuell zu fördern? Gefährdet es den Erfolg des Sportteams, wenn ein körperlich behindertes Kind ein ernstzunehmender Teil des Teams wäre? Oder gefährdet es nur den Ehrgeiz und die Ambitionen der Sportskanone, beziehungsweise dessen Eltern, oder gar des Trainers? Warum treffen sich betroffene Eltern in Selbsthilfegruppen, oder zu Mama- & Papatrinkabenden zusammen? Fühlen sie sich nur dort verstanden und können da jene Erfahrungen austauschen, welche andere Eltern so nicht machen? Sind sie vielleicht hier gesellschaftlich akzeptierter? Und zuletzt, sollen eingeschränkte Menschen am besten unter sich bleiben, sich gegenseitig daten und Beziehungen miteinander eingehen, und „im Sinne aller“ ihre Beeinträchtigungen möglichst nicht auch noch weitergeben?

An welcher Stelle passiert eigentlich Inklusion? Kann und will sich ein Sozialstaat mit Leistungsprinzip Inklusion überhaupt gönnen? Dort wo immer mehr und mehr Gewinn erzielt werden soll, mit immer weniger Aufwand und weniger Personal. Kann eine Integration von Menschen, die anders sind, so überhaupt funktionieren, geschweige denn eine Inklusion?


https://www.behindertenrechtskonvention.info/allgemeine-grundsaetze-3765/

Kommentare

  1. Hier in Berlin wurde in den letzten Jahren versucht, Inklusion zu fördern. Bei meinem Großen gab es in der Grundschule eine Klasse pro Jahrgang mit, ich glaube, 3 behinderten Kindern. Besser wäre es gewesen, die Kinder auf alle Klassen gleichmäßig zu verteilen, aber das war logistisch nicht möglich. Ein normaler Lehrer kann nicht neben all den anderen Kindern noch diese Aufgabe übernehmen. Und für ein behindertes Kind stand laut Amt nur ein halber Betreuer zur Verfügung. Deshalb wurden die Kinder in einer Klasse gebündelt, da dann wenigstens 1 Betreuer ständig finanziert war.

    In der 2. Grundschule meines Großen hatten sie in der Klasse ein Mädchen mit einer Gehbehinderung. Das hat die Kinder nicht gestört, die Schule hat den Unterricht für die Klasse ins Erdgeschoss verlegt, da es keinen Fahrstuhl gibt. Das Mädchen war in ihrem Rollstuhl mit dabei, die Mitschüler haben sie auch mit auf Schulhof und zum Hort mitgenommen. Aber wie Kinder nun mal sind, passieren dabei auch Unfälle. Beim Fangespiel hat ein Schüler ihren Rollstuhl zu stark geschoben und sie kippte um. Die schwere Verletzung war das Resultat und sie musste operiert werden.

    In der jetzigen Schule meines Großen gibt es keinen Fahrstuhl. Das Gebäude ist 100 Jahre alt. Wenigstens haben wir eine etwas buntere Klasse als in anderen Regionen.

    Inklusion kostet viel Geld. Es bedarf zusätzlichem Lehrpersonal, Weiterbildungen, Umbauten an Gebäuden usw. Das ist alles nicht einfach, denn schon ohne Inklusion gibt es einen starken Lehrermangel und Sanierungsstau.

    Ich unterstütze den Wunsch nach Inklusion, aber ich sehe auch, dass es im Alltag viele praktische Probleme gibt, die nicht einfach zu lösen sind. Es braucht Zeit.

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  2. Da stellst Du ja Fragen, deren Beantwortung jeweils einzeln schon ganze Beiträge füllen.

    Zuerst das Anekdotische:

    In der Schule sind die beiden älteren Kinder schon seit der ersten Klasse mit vielen migrierten Kindern zusammen. Das sind zum einen Geflüchtete als auch EU-Bürger. Das dies irgendwie zum Nachteil unserer Kinder wäre, hätte ich jetzt nicht beobachtet. Aber wir sind ja auch eher "Dorfschule" als sozialer Großstadtbrennpunkt.

    Auf der Arbeit arbeite ich natürlich auch schon seit Beginn viel mit zugewanderten Kollegen zusammen. Das hat weiter zugenommen. Z.B. auch durch die Gründung von Niederlassungen in anderen Länderern und Outsourcing. Vor allem jetzt mit Remote-Office, wo Reisen und Umziehen nicht mehr so unbedingt notwendig ist, spricht man öfter mit Teammitgliedern live, die in anderen Ländern sitzen.

    Auch hier habe ich keine negativen Veränderungen gemerkt. Klar, mein Englisch ist eine Zumutung, aber im Gegesatz zum Schulunterricht sieht man einen Sinn darin Englisch zu sprechen und man wird auch nicht ständig mit Verbesserungen ("Esss!!") aus dem Redefluss geholt.

    Dadurch ergibt sich natürlich auch in der (bilingualen) Betriebs-KiTa eine entsprechende Mischung.

    Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist da weniger häufig. Beim Schwimmunterricht war ein Kind mit Down-Syndrom, dass sein Seepferdchen zusammen mit unserem ältesten Kind (oder dem zweitälteste? Mein Gott, zuviele Kurse) gemacht hat.

    Und im Kindergarten hat mal eine Schülerin mit Down-Syndrom ein Praktikum gemacht. Und natürlich sieht man hin und wieder die gleichen Personen mit Down-Syndrom oder anderen Einschränkungen, die in unserer Umgebung wohnen, auf der Straße. Aber abgesehen von "Hallo" habe ich noch mit niemanden groß gesprochen.

    Zu den systemischen Punkten, schreibe ich vielleicht gesondert noch einmal.

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  3. Ich wollte im Nachfolgenden eigentlich mit "Kritik am System" vom Leder ziehe, habe aber den Fehler gemacht, dann doch mal zu recherchieren (ich Depp). Deswegen ist der Kommentar jetzt sehr unspezifisch...

    "Warum fühlt es sich dann 2021 in Deutschland dennoch immer noch so sehr nach Exklusion an?"

    Weil unser Schulsystem dem Gedanken der Inklusion vom System her widerspricht. Wir separieren Kinder schon sehr früh (5/7Klasse) und verteilen sie auf verschiedene Schularten.

    Es geht natürlich auch anders:
    https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/inklusion-schuelerin-mit-downsyndrom-geht-aufs-gymnasium-a-991242.html

    Allerdings weiß ich nicht, bis zu welchem Alter das trägt. Auch ist die Frage, wie die Integration dann im Berufsleben aussieht. Aber auch da gibt schon Fortschritte:
    https://www.betanet.de/down-syndrom-berufsleben.html

    Wie ich dem Schulartikel entnommen habe, scheint aber die Inklusion im Freizeitbereich nicht so gut gegeben zu sein. Dachte ich, und wurde auch hier belehrt:
    http://dsinfocenter.de/html/freizeitangebote.html

    Ich z.B. unernehme überhaupt nichts mit anderen Menschen außerhalb der Familie in der Freizeit (was ich bedauere, aber auch nicht weiß, wie ich das ändern könnte).

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  4. Unternimmst Du in Deiner Freizeit nichts mit anderen Menschen, weil Du nicht der Typ dafür bist? Oder weil der Familienalltag die Zeit dafür nicht hergibt? Oder weil Du als "Zugezogener" auch eine Art Exklusion erlebst? Wärst Du, wenn ihr noch in euer Heimat leben würdet eventuell verwurzelter und Situation wäre eine Andere?

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  5. Nein, ausgegrenzt werden wir hier nicht. Es erfordert halt eigenes Tun, was ich halt unterlassen habe, weil ich der Familie den Vorrang gegeben habe. Und jetzt bekomme ich halt hin und wieder mit, wie andere Kollegen was gemeinsam unternommen haben und sich hier und da auch treffen oder wie sie sich halt einfach mit ihren alten Freunden treffen, die halt alle dort noch leben, und ich denke mir: Tscha, wäre halt auch mal schön.

    Vor Jahren wurde ich natürlich auch gefragt, aber da habe ich halt immer abgesagt. Ich habe halt andere Prioritäten gesetzt. Aber hin und wieder mal was anderes außer Arbeit und Familie wäre halt mal schön. Könnte ich mir zumindest vorstellen.

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    1. Ich glaube ja, ein Post-Pandemie-Hobby könnte was für Dich sein. Schach, Tanzen, Kommunalpolitik, irgendwas mit Menschen. Der Rest kommt dann wahrscheinlich von selbst...

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